Verlorene Träume und andere Ausflüchte!
Hier gibt es sporadisch Informationen über Begebenheiten, die angesprochen werden sollten, die ich aber aus Platzmangel nicht mehr im Buch unterbringen konnte. Die mir oder der Welt in der Zeit meines Romans passierten.
Hiermit stellt diese Seite einen Mehrwert für die Käufer und Leser meines Buches dar, egal welchen Formates. Ich weiß jetzt auch nicht, ob es dies schon mal bei einem Buch gab.
Allein, dass mein Roman bei 980 Seiten über 300 Fußnoten als weiterführende Informationen enthält, gibt ihn ein Alleinstellungsmerkmal, der ihn anders und besonders macht.
(Fußnoten mit Erklärungen werden angezeigt, indem man mit der Maus darüber fährt. Funktioniert nicht mit Internet Explorer.)
Womit soll ich anfangen? Vielleicht noch etwas über die Zeit nach dem Kriegsende? Ist möglicherweise auch zu kurz gekommen. Die Zeit meiner Geburt fällt in die Umbruchphase bzw. der Aufbauphase der noch sehr jungen Bundesrepublik. Anfang der 50er-Jahre war Deutschland vor allen Dingen in den Ballungsgebieten der Großstädte noch eine Trümmerwüste. Gerade Hamburg war noch von den Ruinenfeldern der Bombennächte gezeichnet, in denen englische Bomber in der sogenannten Operation Gomorrha große Teile der Stadt in Schutt und Asche legten. Zuerst herrschten noch sehr spartanische Lebensbedingungen in Deutschland. Viele Kinder, aber auch Erwachsene, wussten nicht, was eine Apfelsine (heute meist Orange genannt) ist. Kühlschränke und Waschmaschinen waren noch ziemlich fremd. Kleidung wurde von der gesamten Familie aufgetragen. Vom Ältesten dann auf den Jüngsten, bis es nicht mehr tragbar war. Ich, Bernhard, hatte dabei dann noch Glück, war ich doch das erste Glied in der Kette.
Aber Deutschland war mit einer besonderen Bevölkerung gesegnet. Diese war eine Stehaufgesellschaft. Aus den Trümmern erwuchs mit der Arbeit zahlreicher geschundener Hände bis zum Ende des Jahrzehnts die erfolgreichste Wirtschaftsnation im noch nicht geeinten Europa. Diese Zeit nannte man später die Goldenen 50er-Jahre. Den Menschen ging es wieder gut, die Technik entwickelte sich rasant. Schon Anfang der 50er begann das Fernsehen seinen Fortschritt zu nehmen. Weihnachten 1952 begann es unter der Federführung des NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk). Punkt 20 Uhr sprach der Intendant die einleitenden Wörter: »Wir versprechen Ihnen, uns zu bemühen, das neue, geheimnisvolle Fenster zu Ihrer Wohnung, das Fenster in die Welt, mit dem zu erfüllen, was Sie interessiert, Sie erfreut und Ihr Leben schöner macht.« [1]
Heute würde ich sagen, dieser Satz stammt von Bill Gates aus einer Werbeveranstaltung über Windows.
Am Tag gab es zwei Stunden Programm, hauptsächlich als Informationsträger statt zur Unterhaltung. Man kann sich ja vorstellen, dass die Geräte damals noch jenseits unserer Vorstellung aussahen. Klein und mit ovalem Bildschirm gab es sie zuerst nur in zwei Größen: Es gab die 36-Zentimeter-Diagonale (22x29) oder 43-Zentimeter (27x36), die - wie jeder weiß - nur ein schwarz-weißes Bild ausstrahlten.
In der weiteren Nachkriegszeit gab es natürlich noch nicht so viele Apparate, da diese ziemlich teuer waren. 1952 kostete ein 36-cm-Gerät ca. 1200 Mark. Bei einem davon dreifachen Durchschnitts-Jahresgehalt war das viel Kohle. Und damit blieb Fernsehen zu der Zeit der pure Luxus. Nur langsam wurden die Fernsehgeräte dann billiger (z. B. 1955 endlich auf 600 Mark für das kleine Modell) und auch die Sättigung des Marktes nahm langsam zu.
Zu der Krönung von Queen Elizabeth am 2. Juni 1953, die öffentlich live übertragen wurde, gab es gerade mal 7000 Geräte in Deutschland. Millionen hockten eher an den Radios und auch neu an den Fernsehern, um sich das Spektakel reinzuziehen. Hier in Hamburg-Kirchdorf war der Gastronom Herbert Bode, Besitzer des historischen Gasthofes Sohre ziemlich der einzige Fernsehgeräte-Besitzer. Zur Krönung Anfang Juni 1953 stellte er den Apparat in den großen Saal, und ließ die Kirchdorfer und Wilhelmsburger die Zeremonie live miterleben. Solche Fernsehabende gab es dann öfter, so zum Beispiel im Juli 1954, als Deutschland in Bern Weltmeister im Fußball wurde.
Hier ein kleiner Abstecher auf das größere Format: KINO. Und das hat wieder was mit dem Gasthaus Sohre zu tun. Wilhelm Holthusen, ein Vorfahr meines Klassenkameraden Uwe Holthusen, betrieb bis zu deren Zerstörung 1945 die Bahnhofs-Lichtspiele in Wilhelmsburg in der Thielenstraße. Dann eröffnete er 1949 die Wilhelmsburger Lichtspiele in der Kirchdorfer Straße 171 direkt neben Gasthof Sohre. Lange konnte Holthusen das Kino nicht halten, denn schon 1962 musste er schließen. Bode übernahm dann den leer stehenden Saal, und daraus wurde im Jahre 1984 ein Sportstudio.
- [1]© Copyright: Intendant Werner Pleister.
Fernsehvergnügen?
Am Anfang des Fernsehzeitalters wurde nicht viel zur Unterhaltung gesendet. Das Hauptmerk lag wohl auf die Vermittlung von Informationen. Dabei sahen die oberen Programm-Chefs selbst den Wetterbericht in der Tagesschau, Politik und den Sprecher als Unterhaltung an. Deswegen gab es die auch nicht. Bis 1956 wurde die nur dreimal die Woche ausgestrahlt, ab dann aber täglich. Und es wurde Reklame (heute sagt man Werbung) zwischen den Beiträgen gebracht, die aus dem Kino übernommen wurde. Diese Werbeblocks gab es abends um halb acht und wurden Seepferdchen genannt. In genau diesen Blocks gab es dann die Vorabendserien, die in dieser Zeit nur so 20 bis 23 Minuten lang waren.
Von der ganzen Vielfalt des deutschen Programmangebots dieser Zeit bekam die Familie Heinrich nichts mit, da sie ihren Fernseher erst im März 1959 bekamen. In dieser Zeit liefen Sendungen wie Der Internationale Frühschoppen: Werner Höfer diskutierte mit sechs Journalisten aus fünf Ländern über Politik und die Welt. Hörfunkmoderator Peter Frankenfeld, der Mann mit dem karierten Jackett, machte mehrere sogenannte Spiel- und Quizschaus. Mit dem Fernseher trat ein neues Freizeitvergnügen in ihr Leben. Es war ein Gerät der Marke GRAETZ Modell Burggraf F41, ein Tischgerät mit dunklem Holzgehäuse, und für damalige Zeiten ungewohnt im Querformat (breiter als hoch), hatte eine 53-Zentimeter-Bildröhre. Frequenzmäßig konnte der den VHF-Bereich abspielen. Es gab sowieso nur das erste Programm.
Das Gerät hatte Bernhards Vater bei TEEGE in der Fährstraße gekauft, und zwar für 1098 Deutsche Mark. Damals noch sehr viel Geld, für das er viele Schichten im Hafen kloppen musste. Der Apparat tat dann sieben Jahre seinen Dienst. In der Zwischenzeit kam dann das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) im April 1963 in die wenigen deutschen Fernsehstuben. Denn mit dem normalen Apparat konnte man den Sender nicht empfangen, lief das ZDF doch im UHF-Frequenzbereich. Und Geräte mit beiden Bereichen (VHF + UHF)gab es noch kaum. Wollte man es empfangen, musste man einen Dekoder kaufen und anschließen.
Als 1965 nach dem Umzug nach Kirchdorf Vater Heinrich dann einen neuen Apparat kaufte, bekam Bernhard das alte Gerät samt Dekoder. Die Glotze landete auf der alten Musiktruhe im Balkonzimmer von ihm und Werner. So konnten sie natürlich von der Familie unabhängig in die sonderbare runde Röhre glotzen.
Im Laufe der Zeit änderte sich das Programmangebot. Es wurden TV-Serien aus Amerika importiert, oder eigenproduzierte Film-Mehrteiler ausgestrahlt. 1959 lief mit großem Erfolg der Fernsehfilm So weit die Füße tragen als 6-Teiler nach dem Roman von Josef Bauer. Besonders mochten die Zuschauer Krimis, deswegen wurden auch in den nächsten Jahren immer wieder 3-Teiler, viel von Francis Durbridge, produziert, die ständig zum Straßenfeger wurden. So auch 1962 den Krimi Das Halstuch, der an drei Abenden die Straßen Deutschlands leer fegte, und eine Sehbeteiligung von 90% schaffte.
Mehr in den nächsten Tagen!